Forschungs- und berufsfeldbezogene Kompetenzen fördern –

Ein Projekt zur Stärkung der Praxisorientierung im Lehramtsstudium des Englischen



Art der Förderung

Fördergeber: Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur

Förderlinie: Innovation Plus 2022/2023

Projektzeitraum: 04/2022-12/2023

 
Forschungsteam

Antragsstellerin: Prof. Dr. Ulrike Altendorf

Projektkonzeption und -leitung (Ko-Antragssteller): Dr. Pascal Hohaus

Studentischer Mitarbeiter im Projekt: Jan-Friso Heeren

 
Zielsetzung des Projekts

Praxisorientierung und Forschung sind zentrale Aspekte des Lehramtsstudiums. Studierende sollen Kompetenzen entwickeln, die zum einen wissenschaftliches Arbeiten und Forschen ermöglichen und zum anderen möglichst praxisnah auf den Beruf der Lehrkraft vorbereiten. Die Verknüpfung dieser beiden Dimensionen ist insbesondere für die fachwissenschaftliche Ausbildung im Rahmen eines Lehramtsstudiums eine besondere Herausforderung. Mit dem übergeordneten Ziel, den Praxisanteil im Lehramtsstudium des Englischen zu erhöhen, soll diese Herausforderung am Beispiel der Englischen Linguistik explizit adressiert werden.  Zu diesem Zweck wird in diesem Lehr-Lern-Projekt ein Workshop mit digital-gestützten Elementen entwickelt, durchgeführt und evaluiert.

 
Durchführung des Workshops

Der oben beschrieben viertägige Workshop mit digital-gestützten Elementen wurde im Sommersemester 2022 und Wintersemester 2022/2023 unter dem Titel „Increasing teaching proficiency via researching learner language“ durchgeführt. Aufbauend auf einem interdisziplinären Ansatz zwischen Englischer Linguistik und Fachdidaktik des Englischen war es das Ziel des Seminars, forschungs- und berufsfeldbezogene Kompetenzen zu fördern. Ausgehend von der durch die Globalisierung getriebenen Entwicklung, dass die englische Sprache als sogenannte lingua franca eine Verkehrssprache zwischen Menschen mit verschiedenen sprachlichen und kulturellen Hintergründen geworden ist, erforschten die Studierenden Charakteristika ihres eigenen Sprachgebrauchs, basierend auf einer kritischen Rezeption des interlanguage-Konzepts. Im Folgenden wurde der Fokus auf die Nutzung der englischen Sprache in lingua-franca-Kontexten gelegt. Die Studierenden entwickelten zudem Ansätze zur Anwendung der Erkenntnisse im schulischen Fremdsprachenunterricht. Konventionelle native speaker norms und entsprechende Lehrperspektiven wurden hinterfragt und dem Konzept English as a Lingua Franca (ELF) bzw. Teaching English as a Lingua Franca (TEFL) gegenübergestellt. Die Studierenden führten korpuslinguistische Analysen mit einem modernen Korpus-Interface und entsprechenden Transkripten des VOICE 3.0 (Vienna-Oxford International Corpus of English) (https://voice3.acdh.oeaw.ac.at/) durch, um beispielhafte Daten und Einstellungen zum Fremdsprachenerwerb zu untersuchen. Mithilfe des VOICE 3.0-Korpus lernten die Studierenden, wie eine linguistische Konkordanzsoftware aufgebaut ist und wie man sie für bestimmte Forschungsfragen einsetzen kann. Such- und Filterfunktionen wurden in einem interaktiven Quiz eingeführt und direkt von den Studierenden an mobilen Endgeräten angewendet. Die jeweiligen gefilterten Ergebnisse dienten als Grundlage von sprachlichen und inhaltlichen Diskussionen authentischer ELF-Konversationen. In einer abschließenden Transferaufgabe stellten die Studierenden konkrete Thesen im Kontext des Korpus und des Themas Englisch als lingua franca auf, die Forschungsgrundlage möglicher Bachelor- und Masterarbeitsthemen sein könnten.

Auf Grundlage dieses thematischen Einstiegs zu aktuellen linguistischen Forschungsfragen folgte dann der Übergriff zum Praxisbezug der Lehrtätigkeit an Schulen: Die Studierenden entwickelten Unterrichtsentwürfe zum Seminarthema English as a Lingua franca. Anhand von Vorgaben, wie sie z.B. in Schulpraktika und im Vorbereitungsdienst (Referendariat) üblich sind, gestalteten die angehenden Lehrpersonen Unterrichtsskizzen, Aufgabenstellungen, Methoden und dazugehörige Arbeitsmaterialien. In einer abschließenden Präsentation und Diskussion mit der Seminarleitung und den Mitstudierenden wurden die Ergebnisse zur nachhaltigen Festigung eruiert und reflektiert.

Prüfungsformat des Seminars war eine Präsentation (inkl. Diskussion), basierend auf einer schriftlichen Ausarbeitung, mit der ein Teilaspekt des Reflexionsportfolios (siehe unten) vertieft wurde. Das Thema sollte an den Seminarkontext anschließen, durfte aber in diesem Rahmen frei gewählt werden. Die Produkte und Gespräche hatten unterschiedliche Schwerpunkte. Auffallend war, dass viele Studierende interdisziplinäre Ansätze wählten, welche die linguistischen Ideen von ELF und der Korpuslinguistik in den Kontext des Fremdsprachenunterrichts brachten. Die Kombination aus forschungs- und berufsfeldbezogenen Kompetenzen spiegelte sich folglich in der Prüfungsform und der damit verbundenen eigenständigen Erarbeitung eines Themas wider. In didaktischer und methodischer Hinsicht wurden die beiden Workshops von Reflexionsaufgaben (als Teil eines Reflexionsportfolios) begleitet, welche die behandelten Inhalte thematisierten und gleichzeitig auf die nächste Sitzung vorbereiteten. Game-basierte Aufgaben (z.B. Kahoot, Menti), abwechselnde Sozialformen, Studierendenpräsentationen sowie kollaborative Schreibformate (bspw. im Kontext des Transkribierens) sorgten für einen hohen Partizipationsgrad und große Kommunikationsanteile studierendenseits. Durch die Einbindung eines studentischen Tutors wurde zum einen eine individuelle Betreuung sichergestellt und zudem die studentische Perspektive besonders berücksichtigt.

 
Evaluation & Transfer

Eine Analyse der Reflexionsaufgaben zeigte eine gestiegene awareness bezüglich der Spezifika der englischen Sprache in lingua franca-Kontexten. Im Hinblick auf die Problematik des assessment (Bewertung, vor allem auch durch Noten) wurden jedoch auch Vorbehalte gegenüber einem ELF-Ansatz im schulischen Unterricht deutlich (vgl. Hohaus 2023; Heeren & Hohaus 2024). Dahingehend hat dieses Seminar offengelegt, wie berufsfeldbezogene Kompetenzen erlangt werden können, ohne dass die Forschungsperspektive vernachlässigt wird. Interdisziplinarität, stetige Reflexion und Einbindung studentischer Interessen verliehen diesem Projekt einen innovativen Charakter, welcher die konventionellen Grenzen eines fachwissenschaftlichen Seminars um konkrete Berufsfeldbezüge erweitert (für die hochschuldidaktischen Implikationen vgl. Heeren & Hohaus 2024). Die Materialien des Workshops wurden im weiteren Verlauf des Projekts als Open Educational Resources aufbereitet. Die studentischen Ergebnisse und Reflexionen sowie derer Erforschung waren außerdem Grundlage für den im Rahmen dieses Projektes entstandenen Sammelband (vgl. Hohaus & Heeren 2023a, 2023b). In diesem Kontext haben sich drei Perspektiven ergeben, die für innovative Ansätze in der zukünftige Lehrkräfteausbildung zu adressieren sind: pedagogies (u. a. am Beispiel der kontinuierlichen Einbindung studentischer Reflexionen), technologies (u. a. am Beispiel der Arbeit „mit“ und „über“ Medien anhand des VOICE 3.0-Korpus) und societies (u.a. am Beispiel der globalen Realität von English as a Lingua Franca).


Projektbezogene Publikationen


Heeren, J.-F., und P. Hohaus. (2024). Fachwissenschaft grenzenlos? Interdisziplinäre Lehre zur Stärkung des Praxisbezugs im Lehramtsstudium des Englischen am Beispiel eines digital-gestützten Workshops in der Englischen Sprachwissenschaft. In Jörg Noller et al. Grenzüberschreitende Lehre: Neue Perspektiven der Hochschuldidaktik [Perspektiven der Hochschuldidaktik]. Springer.


Hohaus, P. (2023). Reflecting on the Power of Native Speaker Norms in Language Teaching – Evidence from an Under-Graduate Seminar for Prospective Teachers of English. In P. Kashkarova, O. Kuzmenko, A. Nosheen, S. Serroukh, D. Wirthmüller (Hrsg.), Proceedings of the Conference Language and Power (S. 61-75). Publikationsserver der Universität Münster. DOI: 10.17879/68958578934.


Hohaus, Pascal & Heeren, Jan-Friso (Hrsg.). (2023a). The Future of Teacher Education: Innovations across Pedagogies, Technologies and Societies [Advances in Innovation Education]. Leiden: Brill.

 
Hohaus, Pascal & Heeren, Jan-Friso (Hrsg.). (2023b). Quo Vadis Teacher Education? Towards a Multi-Dimensional Approach to Educational Innovations in the Light of Pedagogical, Technological and Societal Changes. In Pascal Hohaus & Jan-Friso Heeren (Hrsg.). 
The Future of Teacher Education – Innovations across Pedagogies, Technologies and Societies [Advances in Innovation Education] (S. 1-14). Leiden: Brill.

Projektauszeichung Hochschulperle des Monats