26.01.2022

Parkraummanagement für attraktive Innenstädte

Unsere Städte sind voll von Autos. Mit einer smarten Steuerung des Verkehrsflusses und des Parkraums kann die Lebensqualität für alle Verkehrsteilnehmer besser werden.

Mein Leben als Berufspendler fand einen jähen Einschnitt, als ich meinen Pkw-Stellplatz mitten in Berlin nicht mehr nutzen konnte. Mein Arbeitgeber hatte neue Fahrradabstellanlagen gebaut – so stieg ich aufs Rad um. Am Parksuchverkehr, der laut Barbara Lenz vom Institut für Verkehrsforschung beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Spitzenzeiten bis zu einem Drittel des Verkehrs ausmacht, nahm ich nicht mehr teil.

Anreize für den Umstieg aufs Rad schaffen

Nun können nicht gleich alle Pkw-Pendler aufs Fahrrad oder E-Bike umsteigen, aber das Beispiel zeigt, welchen Einfluss allein Arbeitgeber auf den Verkehr haben, wenn sie Mitarbeitenden Parkplätze kostenfrei zur Verfügung stellen. „Dadurch entsteht für diese ein Anreiz, im Pkw, meist in Einzelbesetzung, zur Arbeit zu fahren“, heißt es beim Umweltbundesamt.

Höhere Parkgebühren zeigen den Wert der genutzten Fläche

Um den Parksuchverkehr zu begrenzen, müssten öffentliche Parkflächen mit deutlich höheren Gebühren belegt werden und gleichzeitig die Radfahr-Infrastruktur sowie der ÖPNV als Alternativen gefördert werden, sagt Verkehrsforscherin Barbara Lenz.

Auch Kerstin Hurek, Expertin für Verkehrspolitik beim ACE, sieht Handlungsbedarf: „Parken beansprucht überproportional viel öffentliche Fläche, die den Pkw aber zu Preisen zur Verfügung gestellt wird, die nicht den Wert der Fläche für das Allgemeinwohl berücksichtigen.“ Eine Erhöhung von Gebühren müsse aber schrittweise und moderat erfolgen.

Beispiel San Francisco: Die Nachfrage regelt die Parkgebühr

Zudem können Parkgebühren je nach Verkehrsaufkommen zeitlich und räumlich flexibel gestaltet werden – und die Digitalisierung hilft dabei. So konnte in San Francisco der Parksuchverkehr dank Hightech um 43 Prozent gesenkt werden. Die kalifornische Stadt rüstete Stellplätze mit Sensoren aus, über die die Parkgebühren je nach Nachfrage angepasst werden. In sensorgestützter Parkzeitkontrolle und -abrechnung, wie sie schon von Supermärkten praktiziert werde, sieht Lenz eine der größten Chancen beim Parkraummanagement.

Sozialverträgliche Maßnahmen fördern den Umstieg

  • Bauliche Maßnahmen: Auch das Baurecht hat Einfluss auf die Wahl des Verkehrsmittels. In Berlin ist zum Beispiel die Errichtung von Fahrradabstellanlagen bei Bauvorhaben vorgeschrieben.
  • Finanzielle Anreize: Denkbar ist auch, Rabatte für Verkehrsteilnehmende einzuräumen, die Park & Ride nutzen, oder Park- und ÖPNV-Tickets zu kombinieren. Das wird etwa in Wien so erfolgreich praktiziert, dass sogar die Zahl der Pkw sank.

Solche sozialverträglichen Push-and-pull-Maßnahmen begrüßt auch der ACE: „Es soll Parkraum nicht reduziert und verteuert werden, bevor nicht gute Alternativen zur Fahrt mit dem eigenen Auto geschaffen worden sind“, meint Kerstin Hurek.

Lesen Sie auch die weiteren politischen Forderungen und Positionen des ACE.

Schub für die Elektromobilität

Auch die E-Mobilität kann durch Parkraummanagement gefördert werden. Wenn Halter ihren Stromer ermäßigt oder kostenfrei abstellen könnten, ist dies im Sinne der Energiewende im Verkehr.

Digitale Dienste verknüpfen Ladeinfrastruktur und Parkraumbewirtschaftung

Längst haben Unternehmen wie Parkopedia, nach eigenen Angaben größter Anbieter digitaler Parkdienste, die Verknüpfung von Ladeinfrastruktur und Parkraumbewirtschaftung entdeckt. Bis zu einem Drittel der potenziellen Besitzer von E-Fahrzeugen könnten ihr Fahrzeug nicht zu Hause aufladen, schätzt das Unternehmen. „Park and Charge“ heißt ein neues Produkt, für das Parkopedia Daten von über 70 Millionen Parkplätzen weltweit nutzt, um E-Autofahrern das Finden von Lademöglichkeiten zu erleichtern.

In Digitalisierung und Vernetzung investieren   

Dass Parkgebühren steigen, scheint allein durch die Kosten gerechtfertigt, die Parkplätze mit sich bringen und die bislang von der Allgemeinheit getragen werden. Sie müssen errichtet und gepflegt werden, Autos stoßen im Parksuchverkehr schädliche Abgase aus, verursachen Lärm und auch Unfallkosten.

Nicht nur der ACE ist der Ansicht, dass mehr Einnahmen in die Digitalisierung und Vernetzung der Verkehrsträger gesteckt werden sollten, um die Verkehrsflüsse besser zu steuern und die Kollateraleffekte gering zu halten. Auch Autohersteller treiben die Entwicklung voran.

Smart Parking – per Navi zum freien Parkplatz

Zu den Errungenschaften des Fortschritts zählt auch intelligente Zugangsverwaltung, wenn sich Schranken wie von Geisterhand öffnen und die Navigation auch in Parkhäusern und Tiefgaragen dank hochpräziser Indoor-Karten noch funktioniert – bis zum aktuell freien Stellplatz. Solche Funktionen sollen auch in Parkhäusern selbst den Parksuchverkehr verringern. Die meisten Dienste errechnen heute allerdings noch Wahrscheinlichkeiten, mit denen Parkplätze am Straßenrand frei sind.

Was gegen Smart Parking spricht

  • Mangelnde Datenbasis: In vielen Städten liegen nur eingeschränkt Daten zur Auslasung von Parkplätzen vor.
  • Kontraproduktiv: Wenn Autofahrern die Parkplatzsorge genommen wird, besteht womöglich kein Grund mehr, Bus, Bahn oder das Fahrrad zu nutzen. Laut Umweltbundesamt  "besteht die Gefahr, dass neue Verkehre erzeugt werden oder eine Verlagerung von nachhaltigen Verkehrsmitteln zum Pkw erfolgt."

Gegensteuern lässt sich mit flexibler Preisgestaltung, die sich digital besonders gut und transparent umsetzen lässt. Nutzer können per App die aktuellen Parkgebühren angezeigt bekommen und diese gleich auch per hinterlegtem Zahlungsmittel automatisch entrichten.

Beispiel Amsterdam: Digitale Parkraumüberwachung

In Amsterdam werden die digitalen Möglichkeiten für die Parkraumüberwachung genutzt. Spezielle Pkw fahren durch die Straßen und scannen die Nummernschilder parkender Autos. Im Abgleich mit behördlichen Datenbanken wird ermittelt, ob für die Kennzeichen ein digitaler Parkschein gelöst wurde. Falls nicht, wird automatisch ein Strafzettel zugestellt. Knöllchen hinterm Scheibenwischer gibt’s bei diesem Verfahren nicht mehr.

"Knöllchen" müssten teurer werden

Die konsequente Sanktionierung von Regelverstößen ist laut Verkehrsforscherin Lenz ein ebenso wichtiger Faktor.

Nach Einschätzung des Thinktanks Agora Verkehrswende besteht in Deutschland allein aufgrund zu geringer Geldbußen noch Nachholbedarf: „In Verbindung mit einer häufig unzureichenden Kontrolle kann dies dazu führen, dass es für Pkw-Fahrer wirtschaftlich günstiger ist, die Ahndung mit einem Bußgeld zu riskieren, als die Parkgebühren zu entrichten.“

Weitere Chancen der Digitalisierung

  • Parkgebühren nach Schadstoffausstoß: Sind Daten zum eigenen Auto zum Beispiel in der App hinterlegt, können Parkgebühren auch nach Schadstoffklassen gestaffelt werden. Dreckschleudern zahlen mehr, E-Autos gar nichts.
  • Stellplatz-Sharing: Private Stellplätze, die tagsüber frei sind, können zum Beispiel Berufspendelnden über Sharing-Plattformen angeboten werden. „Die Nutzenden profitieren durch geteilte Kosten, und gleichzeitig sinkt der Flächenbedarf für das Parken“, so das Umweltbundesamt.

Park- in Lebensraum umwandeln

23 Stunden am Tag stehen Autos ungenutzt herum, so die Agora Verkehrswende. Ein großer Teil der städtischen Flächen wird vom in der Fachsprache sogenannten „ruhenden Verkehr“ belegt.

Wenn Pkw- zu Fahrradstellplätzen, aber auch Spielplätzen und Aufenthaltsflächen umgewidmet werden, trägt auch das zur Änderung des Mobilitätsverhaltens bei. Laut Barbara Lenz müssten Parkflächen im öffentlichen Raum deutlich reduziert und in einzurichtenden Quartiersparkflächen und -garagen gebündelt werden.

Weniger Parkplätze – mehr Verkehrssicherheit

Und die Verkehrssicherheit würde mit verbessert: „Parkende Autos sind ein Sicherheitsrisiko für viele andere Verkehrsteilnehmer“, sagt ACE-Expertin Hurek. Ziel müsse sein, die Stadt attraktiver zu machen, sei es auch nur durch Sichtachsen, die frei werden, wenn Parkplätze dauerhaft autofrei werden und Kreuzungen einsehbar machen. Das ist doch mal ein Lichtblick.