Neue Kohlerichtlinie der Deutschen Bank: Lackmustest nicht bestanden

Pressemitteilung
Berlin/Paris 13.03.2023

Gemeinsame Analyse von urgewald und Reclaim Finance

Nach drei Jahren Stillstand hat die Deutsche Bank im Zuge ihres Nachhaltigkeitstages „Sustainability Deep Dive“ am 2. März 2023 eine Aktualisierung ihrer Kohlerichtlinie zu Mai 2023 angekündigt. Doch auch die angepassten Maßnahmen reichen bei Weitem nicht aus, um einen wirklichen Beitrag zur Einhaltung der 1,5°C-Grenze beim Klimawandel zu leisten. Denn: Die größte deutsche Privatbank hat u.a. erneut keine konsequenten Ausschlusskriterien für Kohleunternehmen formuliert. Dabei ist gerade der unverzügliche Ausschluss von im Kohlebereich expandierenden Unternehmen angesichts des fortschreitenden Klimanotstandes ein dringend notwendiger Schritt. Die Deutsche Bank muss dieses Versäumnis deshalb schnellstmöglich korrigieren, nicht nur mit Blick auf Neukunden, sondern auch für Bestandskunden. Internationale Konkurrenten wie Crédit Agricole, BNP Paribas, Société Générale, HSBC, Barclays oder Standard Chartered haben diesen Schritt bereits vollzogen.

Besonders bedauerlich ist zudem, dass die Deutsche Bank ihre schwache Öl- und Gasrichtlinie immer noch nicht aktualisiert hat. Gerade den aus Klimasicht wichtigen Ausschluss der Finanzierung neuer Öl- und Gasfelder haben einige Banken inzwischen realisiert: HSBC, Crédit Mutuel, La Banque Postale, Danske Bank, Handelsbanken, LBBW und Commerzbank etwa. HSBC adressiert zudem Midstream-Infrastruktur wie Pipelines, die mit neuen Öl- und Gasfeldern zusammenhängt.

Wie dringend die Deutsche Bank eine umfassende Verbesserung ihrer fossilen Richtlinien vornehmen muss, wird außerdem daran deutlich, dass sie seit ihrem Beitritt zur Net Zero Banking Alliance im April 2021 über 9 Milliarden US-Dollar an wichtige Entwickler fossiler Projekte geleitet hat.

 

Hauptbestandteile der aktualisierten Kohlerichtlinie

Die Deutsche Bank veröffentlichte folgende Hauptbestandteile der neuen Kohlerichtlinie in ihrer Pressemitteilung vom 2. März 2023:
 

  • Unternehmen mit einem Thermalkohleanteil von >50% am Umsatz müssen einen „nachvollziehbaren Transformationsplan“ vorlegen. Die Transformationspläne müssen die Zwischenziele eines Kohleanteils am Umsatz von unter 50% bis 2025 in OECD-Ländern und von unter 30% bis 2030 weltweit beinhalten.

  • Unternehmen mit einem Thermalkohleanteil von mehr als 30% am Umsatz oder mit mehr als 10 Millionen Tonnen abgebauter Kohle jährlich oder 10 Gigawatt (GW) installierter Kohlestromkapazität müssen einen „nachvollziehbaren Transformationsplan“ vorlegen. Bestandskunden müssen diesen bis Ende 2025 erarbeiten. Bei Neukunden ist ein Transformationsplan ab sofort (Mai 2023) erforderlich. Die Transformationspläne müssen ein Bekenntnis zum Kohleausstieg bis 2030 in OECD- Ländern und bis 2040 weltweit beinhalten Dabei gibt es jedoch eine gravierende Ausnahme für Staatsunternehmen in Ländern, die an einer "Just Energy Transition Partnership" (JET-P) beteiligt sind. Dies ist aktuell relevant für Indonesien, Südafrika und Vietnam. Dort können sich die Unternehmen laut neuer Kohlerichtlinie der Deutschen Bank an den national noch zu setzenden Ausstiegsplänen orientieren.

Die Deutsche Bank hat angekündigt, die vollständige aktualisierte Kohlerichtlinie in den kommenden Wochen zu veröffentlichen.

 

Unsere Analyse

Aus Sicht von urgewald und Reclaim Finance als positiv zu bewerten ist:
 

  • Die Deutsche Bank hat den Gültigkeitsbereich ihrer Richtlinie erweitert, indem sie den relativen Schwellenwert von 50% Thermalkohleanteil am Umsatz auf 30% gesenkt hat und absolute Schwellenwerte eingeführt hat, so dass mehr Unternehmen erfasst werden. Vor allem die absoluten Schwellenwerte sind wichtig, um große Konglomerate entlang der Kohlewertschöpfungskette (Beispiel Glencore) zu erfassen, die aufgrund einer entsprechenden Diversifizierung nicht von relativen Schwellenwerten ausreichend erfasst werden.

  • Das erste Mal definiert die Deutsche Bank, was sie unter „nachvollziehbaren“ bzw. „glaubwürdigen“ Transformationsplänen versteht: das Bekenntnis zu einem Kohleausstieg bis 2030 in OECD-Ländern und bis 2040 weltweit. Für Unternehmen mit hohem Kohleanteil werden zudem Zwischenziele für 2025 und 2030 formuliert.

Die Kritik von urgewald und Reclaim Finance an der neuen Kohlerichtlinie:

  • Die verschärften relativen und neuen absoluten Schwellenwerte sind keine Ausschlusskriterien. Sie definieren lediglich, welche Unternehmen einen „nachvollziehbaren“ Transformationsplan vorlegen müssen. Da dafür ein Kohleausstiegsdatum reicht, kann beispielsweise ein Unternehmen wie RWE, das mit dem Kohleausstiegsversprechen 2030 weiter Dörfer abbaggern darf, immer noch finanziert werden – und zwar obwohl es mit über 20 Millionen Tonnen Kohleproduktion im Jahr über dem Schwellenwert der Deutschen Bank liegt. Als Bestandskunde muss RWE einen solchen Transformationsplan ohnehin erst bis 2025 vorlegen. Unternehmensausschlüsse bleiben damit für die Deutsche Bank nach wie vor das allerletzte Mittel.

  • Die Deutsche Bank verpasst die Chance, Unternehmen, die neue Kohleprojekte planen, aus der Finanzierung kategorisch und unverzüglich auszuschließen. Sie adressiert das Thema Expansion in keiner Weise. Wie relevant es ist, macht ein Blick auf die Global Coal Exit List (GCEL) deutlich: Selbst unter den Unternehmen mit einem Kohleanteil von unter 50% am Umsatz gibt es noch 371 Unternehmen mit Kohleexpansionsplänen (von insgesamt 490). Diese kommen auf 195 GW neue Kohlekraftwerkskapazität, was fast der kompletten aktuellen Kohlekraftwerksflottenkapazität der USA entspricht. Die neu geplanten 195 GW machen zudem 75% der gesamten von Unternehmen auf der GCEL geplanten neuen Kohlestromkapazität aus. So werden viele Kohle-Expansionisten, die in der Vergangenheit zu den Kunden der Deutschen Bank zählten (s. Tabelle unten), von der aktualisierten Richtlinie nicht erfasst.

  • Auch wenn sie keine Ausschlusskriterien per se darstellen, ist die Einführung der absoluten Schwellenwerte begrüßenswert. Zusammen mit den relativen Schwellenwerten erfassen sie einen Großteil der Unternehmen auf der GCEL. Trotzdem bleibt der absolute Schwellenwert von 10 GW Kohlestromkapazität zu hoch, um einige wichtige Energieerzeuger wie Berkshire Hathaway und Vedanta Resources in den Gültigkeitsbereich der neuen Richtlinie einzubeziehen. Der Wert muss entsprechend der GCEL auf 5 Gigawatt abgesenkt werden.

  • Die Ausnahmen für die Staatsunternehmen in „Just Energy Transition Partnership“ (JET-P)-Ländern sind gravierend. Denn die Partnerschaften sollen zwar den Kohleausstieg von Südafrika, Indonesien und Vietnam beschleunigen, diese Länder haben aber bisher trotz eines Bekenntnisses zum Netto-Null-Ziel kein Datum für den Kohleausstieg festgelegt. Stattdessen plant Indonesien sogar mehr als 26 GW neue Kohlestromkapazität, Vietnam mehr als 7 GW und Südafrika mehr als 3 GW.

Tabelle: Kohle-Expansionisten, die in den letzten Jahren von der Deutschen Bank finanziert wurden

Kohleexpansionisten, die von der Deutschen Bank finanziert wurden

 

Bewertung der Deutschen Bank im Coal Policy Tool

Weil die aktualisierte Kohlerichtlinie so wenig harte Kriterien enthält, verbessert sich die Bewertung der Deutschen Bank im Coal Policy Tool von Reclaim Finance nur wenig. Sie erhält für die Einführung der absoluten Schwellenwerte und die genannten Kohleausstiegsdaten lediglich zwei Punkte mehr. Damit liegt die Bank weiterhin bei bescheidenden 13 von 50 möglichen Punkten.

Deutsche Bank im Vergleich zur Commerzbank

Die Deutsche Bank hinkt nicht nur der internationalen Konkurrenz hinterher, sondern auch die Commerzbank steht in Sachen Klimaschutz weiterhin besser dar. Zwar verschont auch die Commerzbank Bestandskunden bis 2025, danach werden Kohleunternehmen auf Expansionskurs ausgeschlossen. Der relative Schwellenwert, ab dem Bestandskunden 2025 Transformationspläne vorlegen müssen, liegt mit 20% bei der Commerzbank zudem niedriger als bei der Deutschen Bank. Vor allem im Bereich Öl und Gas geht die Commerzbank weiter als die Deutsche Bank: Seit Januar 2022 schließt sie die Finanzierung jeglicher Öl- und Gasförderprojekte und von Ölkraftwerken aus. Außerdem schließt sie neue Geschäftsbeziehungen zu Unternehmen aus, die im Öl- und Gassektor expandieren.

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