#Attraktive Rahmenbedingungen im ÖGD #Mehr Studienplätze #Suizidprävention

Berlin - Der 125. Deutsche Ärztetag hat bei seinen Beratungen am 1. und 2. November 2021 eine Reihe von gesundheits-, sozial- und berufspolitischen Beschlüssen gefasst:

Attraktive Rahmenbedingungen für Ärztinnen und Ärzte im ÖGD

Der 125. Deutsche Ärztetag hat an die kommunalpolitischen Verantwortungsträger und Tarifpartner appelliert, im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) für Ärztinnen und Ärzte vergleichbar attraktive tarifliche Arbeitsbedingungen zu schaffen, wie sie in anderen Tätigkeitsfeldern ärztlicher Berufsausübung gegeben sind. Ärztliche Kompetenz und individualmedizinische Erfahrung von Ärztinnen und Ärzten müssten über alle einschlägigen fachärztlichen Bereiche hinweg weiterhin einen maßgeblichen steuernden und koordinierenden Einfluss behalten, heißt es in dem Beschluss. Die derzeit geltenden tariflichen Rahmenbedingungen in den kommunalen Gesundheitsämtern ließen jedoch befürchten, dass in der Umsetzung des Pakts für den ÖGD fachlich sinnvoll konzipierte Arztstellen zwar formell geschaffen würden, mangels Attraktivität und Interesse jedoch letztlich vielfach nicht besetzt werden könnten, so die Abgeordneten.

Außerdem sollten die politisch Verantwortlichen endlich eine nachhaltige Reform der Infra-, Personal- und Tarifstruktur des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, wie sie bereits im „Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst“ vorgesehen war, umsetzen. Nur dann könne der ÖGD seiner Funktion als dritte Säule des Gesundheitswesens dauerhaft gerecht werden, so der Ärztetag.

Mehr Studienplätze schaffen ohne Umverteilung

Die Abgeordneten des 125. Deutschen Ärztetages haben ihre Forderung nach mehr Medizin-Studienplätzen sowie die Bereitstellung der hierfür erforderlichen finanziellen Mittel durch die Bundesländer bekräftigt. Angesichts des Landarztmangels und fehlender Ärztinnen und Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst würden mehr als zehn Prozent zusätzliche Studienplätze gebraucht. Eine Quotierung der Studienplätze für den ÖGD und die Allgemeinmedizin auf dem Land verschiebe lediglich Probleme und verschärfe die Not in anderen Fachgebieten. Sollten Ärztinnen und Ärzte für den ÖGD verpflichtet werden, müssten sie für ihre Tätigkeit auch adäquat bezahlt werden.

Zügige Umsetzung der neuen Approbationsordnung für Ärztinnen und Ärzte

Der Ärztetag hat Bund und Länder aufgefordert, die neue Approbationsordnung für Ärztinnen und Ärzte zügig zu beschließen und umzusetzen. Eine qualitativ hochwertige Medizinerausbildung sei die Grundlage einer zeitgemäßen und zukünftigen medizinischen Versorgung der Bevölkerung, so das Ärzteparlament. Die neue Approbationsordnung mit Stärkung der Ausbildung im ambulanten Bereich trage den heutigen und zukünftigen Anforderungen Rechnung. Sie biete eine Chance, die künftigen Medizinerinnen und Mediziner für die Tätigkeit auch außerhalb von Ballungsräumen und Universitäten zu begeistern.

Außerdem forderten die Abgeordneten von Bund und Ländern eine obligate existenzsichernde Aufwandsentschädigung der Medizinstudierenden im Praktischen Jahr (PJ). Die geplante Durchführung von Teilen des PJ in Haus- und Facharztpraxen stelle die Medizinstudierenden vor neue finanzielle Herausforderungen. Allein durch Stipendien und BaFög würden z. B. Kosten für doppelte Haushaltsführung oder die Fahrt zum Praktikumsort nicht ausreichend abgedeckt, so das Ärzteparlament. Ziel der Verhandlungen von Bund und Ländern müsse sein, mit einer obligaten Regelung der Aufwandsentschädigung für die Medizinstudierenden im Praktischen Jahr eine Existenzsicherung zu gewährleisten.

Rechtliche Rahmenbedingungen für Suizidprävention

Allen Menschen in Lebenskrisen mit Suizidgedanken müssen fachgerechte Hilfen im Rahmen der Suizidprävention regelhaft und flächendeckend als Pflichtaufgabe der Daseinsvorsorge zur Verfügung gestellt werden. Das fordert der 125. Deutsche Ärztetag. Gleichzeitig sollten sowohl die Prävention und Verbesserung der Behandlung psychischer Erkrankungen als auch die palliative Versorgung weiter ausgebaut werden.

Für diese Hilfen müssen aus Sicht des Ärzteparlaments rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Dazu gehöre der Ausbau und die Sicherung flächendeckender Versorgungsstrukturen zur Suizidprävention einschließlich niedrigschwelliger und aufsuchender Angebote. Außerdem müsse die Suizidprävention nachhaltig finanziert werden - insbesondere die Versorgungsbedarfe in suizidalen und ähnlich schweren Krisen. Und schließlich sei eine bundesweite Hotline für Menschen in Lebenskrisen mit Suizidgefährdung notwendig.

Katastrophenschutz für Krankenhäuser

Der 125. Deutsche Ärztetag hat die Landesregierungen aufgefordert, die Krankenhäuser bei der Umsetzung des Katastrophenschutzes finanziell zu unterstützen. Angesichts von Katastrophen und Großschadensereignissen in der jüngsten Vergangenheit (Flutkatastrophen, Cyber-Angriffe, Pandemie, usw.) müssten Krankenhäuser ihre Katastrophenabwehrmechanismen und Notfallpläne neu überdenken und breiter aufstellen. Für die Bewältigung dieser Aufgaben bedürfe es technischer und personeller Ressourcen, die von den Krankenhäusern nicht allein aufgebracht werden können, so die Abgeordneten. Die Sicherstellung der Versorgung im Katastrophenfall müsse auch Ziel einer auskömmlichen Finanzierung der Krankenhäuser auf Landes- und Bundesebene sein.

Mehr COVAX-Impfstoffdosen zur weltweiten Verteilung

Der 125. Deutsche Ärztetag hat die Bundesregierung aufgefordert, dem internationalen COVAX-Programm der Weltgesundheitsorganisation (WHO), dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) und weiteren Partnern verstärkt Impfstoff zur Verfügung zu stellen. Während in einkommensstarken Ländern in Europa und den USA mit der dritten Coronaimpfung begonnen werde, liege die Quote für die erste Impfung in vielen einkommensschwachen Ländern, vor allem in Afrika, immer noch im einstelligen Prozentbereich. Je länger dieser Mangel an Impfstoffen bestehe, desto höher werde das Risiko für Übertragungen und Mutationen und somit auch für die Entstehung von Escape-Varianten, warnten die Abgeordneten.

Regelungen zur Lebendorganspende reformieren

Der 125. Deutsche Ärztetag 2021 fordert die politischen Entscheidungsträger auf, die Regelungen zur Lebendorganspende im Transplantationsgesetz (TPG) zu reformieren. Ziel sollte es sein, den Spenderkreis bei der Lebendorganspende auszuweiten und eine Richtlinienkompetenz der Bundesärztekammer für den Gesamtbereich der Lebendorganspende festzuschreiben.

Diskriminierungen im Gesundheitswesen verhindern

Diskriminierungen aufgrund rassistischer Zuschreibungen, der geschlechtlichen oder sexuellen Identität, Alter, Behinderung, Religion oder des sozioökonomischen Status erschweren den Zugang zum Gesundheitssystem und die Inanspruchnahme von medizinischer Versorgung. Der 125. Deutsche Ärztetag hat deshalb die Entwicklung von Strukturen gefordert, um Diskriminierung im Gesundheitswesen zu verhindern. Die Abgeordneten sprachen sich für eine Stärkung der Antidiskriminierungsarbeit im Gesundheitswesen auf institutioneller und individueller Ebene und die Etablierung von Antidiskriminierungsstellen bei den Landesärztekammern aus.

Gute Medizin braucht gute Pflege

Der 125. Deutsche Ärztetag unterstützt Forderungen der Pflegeberufe nach einer dringend überfälligen Verbesserung ihrer Arbeits- und Ausbildungsbedingungen. Er appellierte an alle ärztlichen Kolleginnen und Kollegen, die Pflegeberufe in diesem Bemühen auch im Fall tariflicher Auseinandersetzungen zu unterstützen. Die Bundesregierung und die Landesregierungen sollten die Arbeitsbedingungen der Pflege in den Krankenhäusern und der Altenpflege verbessern, um eine nachhaltige Entwicklung des Berufsfeldes zu gewährleisten, so die Abgeordneten. Hierzu gehörten insbesondere der Schutz vor Überlastung, selbstbestimmte Umsetzung und Überwachung professioneller Standards sowie mehr professionelle Selbstverwaltung der Pflegeberufe.

Corona-Unterstützung für Medizinische Fachangestellte

Der Ärztetag hat von der Bundesregierung und den Landesregierungen eine Würdigung der besonders hohen beruflichen Belastungen der Medizinischen Fachangestellten in der COVID-19-Pandemie gefordert. Diese solle in Form einer Coronaprämie in vergleichbarer Höhe jener Prämie für Beschäftigte in Krankenhäusern gewährt werden.

Dispensierrecht im Notfall und im organisierten Bereitschaftsdienst

Der 125. Deutsche Ärztetag hat den Gesetzgeber aufgefordert, rechtliche Schritte einzuleiten, um ein ärztliches Dispensierrecht im Rahmen der Notfallversorgung und im organisierten Notdienst zu ermöglichen. Unverzüglich benötigte Medikamente zur Behandlung akuter Erkrankungen im Rahmen der ambulanten Notfallversorgung könnten durch die örtlichen Apotheken nicht immer zeitgerecht geliefert werden. Hier müsse Rechtssicherheit für den behandelnden Arzt geschaffen und die Abgabe von Medikamenten im Notfall oder Notdienst erlaubt werden.

Das vollständige Beschlussprotokoll finden Sie hier.